Sie befinden sich hier:

Verteidigungsrede des Judas Ischarioth

Nachlese

„Die Verteidigungsrede des Judas Ischarioth“, ein Ein-Personen-Stück unter der Regie von Bernd Lemmerich, war am Donnerstag im Rahmen der Kulturwoche im Zehntkeller zu erleben. Die wortgewaltige Verteidigungsrede, nach der Vorlage von Walter Jens, wurde vorgetragen und gespielt von Stefan Busch, musikalisch begleitet von Andrea Balzer.

Totenstille zu Beginn, nur Judas ist zu hören: „Gegrüßet seist du Rabbi“, spricht er knieend vor einem großen Holzkreuz. Gedrückt wirkt die Stimmung im Gewölbe des Zehntkellers, es ist dunkel. Judas spricht weiter, intensiv. Unwillkürlich denkt man: War er wirklich der Sündenbock, der Verräter, der den Sohn Gottes ans Kreuz ausgeliefert hat? Oder gab es da eine Abmachung zwischen Gott und ihm, um die Schrift und die Prophezeiung zu erfüllen?

Das Stück warf viele Fragen auf, die nachdenklich stimmten und die gleichzeitig aufforderten, sich über das im Neuen Testament Geschriebene hinaus Gedanken zu machen. Judas sprach in dieser Verteidigungsrede über seine Rolle, damals, vor 2000 Jahren. Er blickte auf das Geschehen am Ölberg zurück, an jenem schicksalhaften Gründonnerstag, als mit seinem Kuss die Gefangennahme, die Folterungen und Demütigungen und schließlich die Hinrichtung "meines Rabbi" ihren Anfang nahm. War es wirklich Verrat? Aus Sicht von Judas wäre dies ein Aberwitz, blanke Narretei gewesen. Schließlich war der Aufenthaltsort von Jesus ebenso bekannt wie sein Geheimnis, Gottes Sohn zu sein. Das hatte er schließlich selbst verkündet.

"Es war mein letzter Liebesbeweis. Schließlich bin ich es als einziger der zwölf Jünger gewesen, der ihn und seine Angst vor der Marter und dem Tod wirklich verstanden hat", rechtfertigte Judas im Nachhinein sein Tun. "Ich habe doch nur das getan, um ihm zu helfen. Um ihm, wie abgesprochen, zu helfen, seine Aufgabe zu erfüllen." 

Der angebliche Verrat an Jesus war stattdessen Gehorsam gegenüber Gott. Diese Rolle war nach Ansicht von Judas sogar schwerer. Judas als "Bote Gottes im Finstern"? Doch die Menschen verteufeln ihn, den Jud. Dabei wäre Judas ohne Verrat nicht zum Verräter an Gott geworden, hätte es keine Kreuzigung, keine Auferstehung und schließlich auch keine Kirche gegeben. Daher forderte er die Aufhebung seines Schuldspruchs.

Dem selbstbewussten Verteidiger kamen plötzlich Zweifel hoch. Wie wäre es denn, wenn er Nein zu Gottes Forderung nach dem Verrat gesagt hätte? Wäre Jesus mit seiner sanften Doktrin in seinem Zimmererberuf alt geworden? Es hätte kein millionenfaches Blutvergießen durch Inquisition, Glaubenskriege, durch Pogrom, kein Lager und kein Gas gegeben. 

Judas zerbrach am Ende und warf sich verzweifelt vor dem Kreuz zu Boden. Da lag er nun, ein zwischen Helden und Schwerverbrecher schwankender, von Selbstzweifeln zerrissener Mensch, ein Häufchen Elend, zusammengesunken unter dem Kreuz. So endete Lemmerichs Inszenierung.

Am Ende wieder Totenstille, es dauerte ein wenig, bis sich zunächst ein zaghafter, kurz darauf brausender Applaus regte. Verdienter Lohn für die exzellente schauspielerische Leistung von Stefan Busch, der in diesem Ein-Personen-Stück überzeugend in die Rolle des Jesus-Verräters geschlüpft war, dass die Besucher am Ende eine Weile zum Durchschnaufen brauchten. Im gewölbten Zehntkeller war die passende Atmosphäre für dieses Stück. Andrea Balzers Orgelspiel an den richtigen Stellen unterstrich die Wirkung des Schauspielers. Es war ein gelungenes Stück von Bernd Lemmerich und seinem Team vom "Theater an der Disharmonie Schweinfurt".  (HOF)