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Fleisch ist mir nicht Wurst

Am „literarischen Donnerstag“ war mit Klaus Reichert ein Journalist mit seinem Buch „Fleisch ist mir nicht Wurst“ zu Gast. Wie dem Publikum schnell klar wurde, ist Reichert nicht nur Metzgerssohn – von dieser Familiengeschichte handelt sein Buch – sondern auch ein begnadeter Erzähler.

Er erinnerte mit seinem Buch „Fleisch ist mir nicht Wurst“ an eine Zeit, in der das Metzgerhandwerk noch was zählte. Ein aufrüttelnd-humorvolles Plädoyer für einen Fleischkonsum mit Maß und Anspruch erlebten die rund 100 Besucher im Zehnthof.

Wie achtlos wir heute mit dem Thema Fleisch umgehen hatte Klaus Reichert dazu gebracht, das Buch zu schreiben. Es ist eine autobiografische Erzählung und ein Appell für bewussten Tierverzehr. Denn Fleischessen sei Teil unserer Natur, betonte der Autor. Dass tatsächlich alle darauf verzichten, hält er für unrealistisch: "Wir essen allein in Deutschland jährlich rund 700 Millionen Tiere“, erklärte er. Dies sei eine unvorstellbare Zahl. Das in Frage zu stellen und zu sagen, wir dürften das nicht mehr, sei eine Illusion. Man müsse einen vernünftigen Weg finden, wie wir damit umgehen. Das Problem für die Menschen sei, dass die Tiere getötet werden. Davon wolle keiner etwas wissen.

Die Familie Reichert stammt aus dem damals armen Hohenlohe. Großvater Hans Reichert verließ 1933 seine arme Heimat, um sich in Frankfurt niederzulassen. Dort eröffnete er 1935 eine Metzgerei, die später sein Sohn Willi Reichert (Haxen Reichert) und dessen Sohn Thomas Reichert übernehmen werden. Die Metzgerei prägte nicht nur das Leben der Großeltern, Eltern sondern auch das der Gebrüder Reichert. Der Autor erzählte, wie sich die Familie und die Metzgerei über die Jahrzehnte entwickelten, welche schönen und schaurigen Seiten das Leben im Familienbetrieb mit sich brachte und wie sich das Leben als Metzgerssohn auf die Kindheit der Gebrüder Reichert auswirkte und beide bis heute prägt.

Doch das klassische Metzger-Handwerk sterbe langsam aus. Das habe Folgen, erzählt Klaus Reichert. Es gebe rund 12.000 Metzgereine in Deutschland, dazu 7.000 Filial-Betriebe. Dies sei nichts im Vergleich vor 30, 40 Jahren. Da habe es noch an jeder Ecke einen Metzger gegeben. Warum dieser Rückgang? Eine Metzgerei zu betreiben sei sehr viel Arbeit, bedeute hohe Auflagen, Probleme Mitarbeiter zu finden und ein Familienbetreib sei nicht mehr rentabel.

„Ein genauer Blick hinter die Fleischtheke ist wichtig“, betonte Reichert. Heute gehe man zum Supermarkt. Alles sei steril und grammgenau abgepackt. Fleisch dürfe nicht an Körper erinnern. Der Verbraucher wolle es preisgünstig haben und gleichzeitig solle es nachhaltig erzeugt und am besten aus der Region sein. „Geht das überhaupt?“, fragte Reichert. „Wie kann ich denn Fleisch regional erzeugen, wenn ich keinen Schlachthof in der Nähe habe?“ Es beginne damit, dass die Diskussionen um das Thema Fleisch eine absolute Verlogenheit darstellt. Ich könne nur Fleisch tatsächlich hier in irgendwelchen Läden verkaufen, wenn ich die Möglichkeit habe, hier zu schlachten. „Die Wahrheit ist, dass 80 Prozent des Fleisches, was in Deutschland gegessen wird, in zehn großen Schlachtfabriken geschlachtet wird."

83 Millionen Einwohner in Deutschland bräuchten täglich rund 240 Millionen Mahlzeiten, erklärte der Autor. Wie solle das ohne Fleisch funktionieren, fragte er. Etwa ein Prozent der Bevölkerung sei Veganer, ca. fünf Prozent Vegetarier, von denen viele nach zwei bis drei Jahren wieder damit aufhörten. Der Anteil des Bio-Schweinefleisches betrage nur etwa 1,4 Prozent. 

Der Mensch und das Nutztier - seit Jahrtausenden lasse sich diese Verbindung zurückverfolgen. Aber noch nie sei der Mensch dem Tier so fern wie heute gewesen. Ein achtsamer Blick hinter die Fleischtheke könnte das wieder geraderücken. Reichert plädierte für einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit diesem wichtigen Lebensmittel. „Jeder Neuntklässer sollte einmal einen Ausflug zum Schlachthof machen“, betonte er. Das sei etwas, was man mal gesehen haben sollte und was es bedeutet, wenn ein Tier stirbt.

Im Anschluss konnte dann in der gemeinsamen Diskussion über unseren Fleischkonsum heute gesprochen werden und viele unterhaltsame und interessante Anekdoten wurden von Autor und Publikum erzählt. Ein rundum gelungener Abend.

(Text: Horst Fröhling)    (Fotos: Georg Kestler)